Archiv der Kategorie: Gedichte

An eine Rose

Hölderlin

An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoßes, süße Königin der Flur, dich und mich die stille, große allbelebende Natur.

Röschen!

Unser Schmuck veraltet.

Stürm, entblättern dich und mich.

Doch der ewge Keim entfaltet bald zu neuer Blüte sich.

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Heinrich Heine Nachtgedanken

Die folgenden Verse von Heinrich Heine sind in die Geschichte der Literatur eingegangen. Sie wurden dem Band „Neue Gedichte“ entnommen, welcher in der 1971 in München verlegten Werkausgabe „Sämtliche Schriften“ erschien.

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich – Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen,
Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Sonntagsgeschichten

Blumentod
Annette von Droste-Hülshoff

Wie sind meine Finger so grün,
Blumen hab‘ ich zerrissen;
Sie wollten für mich blühn
Und haben sterben müssen.
Sie neigten sich in mein Angesicht
Wie fromme schüchterne Lider,
Ich war in Gedanken, ich achtet’s nicht
Und bog sie zu mir nieder,
Zerriß die lieben Glieder
In sorgenlosem Mut.
Da floß ihr grünes Blut
Um meine Finger nieder;
Sie weinten nicht, sie klagten nicht,
Sie starben ohne Laut,
Nur dunkel ward ihr Angesicht,
Wie wenn der Himmel graut.
Sie konnten mir’s nicht ersparen,
Sonst hätten sie’s wohl getan;
Wohin bin ich gefahren
In trüben Sinnens Wahn?

O töricht Kinderspiel,
O schuldlos Blutvergießen!
Und gleicht’s dem Leben viel,
Laßt mich die Augen schließen,
Denn was geschehn ist, ist geschehn,
Und wer kann für die Zukunft stehn?

Hölderlin – An eine Rose

Hölderlin Sämtliche Gedichte 1788-1795

An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoße,
Süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
Allbelebende Natur;
Röschen! unser Schmuck veraltet,
Stürm‘ entblättern dich und mich,
Doch der ewge Keim entfaltet
Bald zu neuer Blüte sich.

Christian Morgenstern

Christian Morgenstern

Der Schnupfen
Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf daß er sich ein Opfer fasse

– und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.

Paul Schrimm erwidert prompt: »Pitschü!«
und hat ihn drauf bis Montag früh.

(1908)

Sonntagsmärchen

Aus des Knaben Wunderhorn

Das irdische Leben

„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir ernten geschwind!“

Und als das Korn geerntet war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir dreschen geschwind!“

Und als das Korn gedroschen war,
rief das Kind noch immerdar:
„Mutter, ach Mutter, es hungert mich!
Gieb mir Brot, sonst sterbe ich!“
„Warte nur! Warte nur, mein liebes Kind!
Morgen wollen wir backen geschwind!“

Und als das Brot gebacken war,
lag das Kind auf der Totenbahr’!

Des Knaben Wunderhorn – Achim von Arnim und Clemens Brentano

Des Sultans Töchterlein
und der Meister der Blumen.Altes fliegendes Blatt aus Kölln.Der Sultan hatt‘ ein Töchterlein,
Die war früh aufgestanden,
Wohl um zu pflücken die Blümelein
In ihres Vaters Garten.Da sie die schönen Blümelein
So glänzen sah im Thaue,
Wer mag der Blümlein Meister seyn,
Gedachte die Jungfraue.Er muß ein großer Meister seyn,
Ein Herr von großen Werthen,
Der da die schönen Blümelein
Läßt wachsen aus der Erden.Ich hab‘ ihn tief im Herzen lieb,
O dürft ich ihn anschauen!
Gern ließ ich meines Vaters Reich
Und wollt sein Gärtlein bauen.Da kam zu ihr um Mitternacht
Ein heller Mann gegangen,
»Thu auf, thu auf, viel schöne Magd,
Mit Lieb bin ich umfangen.«Und schnell die Magd ihr Bettlein ließ,
Zum Fenster thät sie gehen,
Sah Jesum ihr viel schönes Lieb
So herrlich vor sich stehen.Sie öffnet ihm voll Freudigkeit,
Sie neigt sich tief zur Erden,
Und bot ihm freundlich gute Zeit,
Mit sittsamen Geberden.»Woher, woher, o Jüngling schön?
In meines Vaters Reichen
Mag keiner dir zu Seite gehn,
Sich keiner dir vergleichen.«»Viel schöne Magd, du dachtest mein,
Um dich bin ich gekommen
Aus meines Vaters Königreich,
Ich bin der Meister der Blumen.«»O Herr, o Herr, wie weit, wie weit
Ists zu des Vaters Garten?
Dort mögt ich wohl in Ewigkeit
Der schönen Blumen warten.«»Mein Garten liegt in Ewigkeit
Und noch viel tausend Meilen,
Da will ich dir zum Brautgeschmeid
Ein Kränzlein roth ertheilen.«Da nahm er von dem Finger sein
Ein Ring von Sonnengolde
Und fragt, ob Sultans Töchterlein
Sein Bräutlein werden wollte.Und da sie ihm die Liebe bot,
Sein Wunden sich ergossen.
»O Lieb, wie ist dein Herz so roth,
Dein Hände tragen Rosen.«»Mein Herz, das ist um dich so roth,
Für dich trag ich die Rosen,
Ich brach sie dir im Liebestod,
Als ich mein Blut vergossen.Mein Vater ruft, nun schürz dich Braut,
ich hab dich längst erfochten.«
Sie hat auf Jesus Lieb vertraut,
Ihr Kränzlein war geflochten

Gedichte

Jutta Richter

Vom Rübenschwein …
… und Trampeltier

Das Rübenschwein, das Rübenschwein,
das wollte bei den Rüben sein.
Da riefen alle Rüben: »Nein!,
wir wollen hier kein Rübenschwein!«
So blieb das Rübenschwein allein.
Das war gemein.
(Es baute sich ein Haus am Teich.
Und Rüben war´n ihm fortan gleich.)

Das Trampeltier, das Trampeltier
fragt: »Warum spielt ihr nicht mit mir?«
Die andern sagen: »Weg mit dir!
Du bist zu blöd, du Trampeltier!«
Jetzt übt das Trampeltier Klavier.
Bis fünf nach vier.
(Es wird bestimmt einmal berühmt als Pianist,
weil das im Leben oft so ist.)

Winterspaziergang zur Mama und ein fast vergessenes Gedicht, das mir dabei einfiel

Ich wär so gern noch lang bei dir

Ein Gedicht von Gisela Steinecker

Ich wär so gern noch lang bei dir

fänd keine Zeit genug

wie schade, daß uns schon so bald

die Abschiedsstunde schlug.

Ich hätte gern ein Liebeslied

das Schönste, das es gibt

ein Lied, das mit dem Nachtwind zieht

zu jedem, der heut liebt

Besäße ich ein Blumenmeer

aus jeder Jahreszeit

ich gäb es gerne für dich her

es tät mir nicht leid

Doch wer da traurig wird beim Gehn

war nicht die Freude wert

ich will so fröhlich von dir fort

wie ich heut eingekehrt

So bleibt mir nur ein Dankeschön

und daß ich einfach geh

ich warte auf den Augenblick

da ich dich wiederseh

Gisela Steineckert, Vor dem Wind sein, Lieder S. 59
Verlag Neues Leben, Berlin 1980
DDR

Adventsgeschichten