Kochbücher – Kochbuch unbekannter Autorin von 1912

„Es ist ein Wagnis, die große Anzahl der vorhandenen Kochbücher vermehren zu helfen. “

So beginnt mit einem Vorwort eines der ältesten Kochbücher die ich gelesen habe, es stammt aus dem Besitz meiner Frau Schwiegermutter. Der Schutzumschlag ist verloren gegangen, Autorin und Verlag bleiben mir somit unbekannt. Es stammt aus der Dresdner Gegend, die erste Ausgabe ist auf 1912 datiert. Anfang 1900 war Mensch bescheiden. Im weiteren Verlauf des Buches werden die wichtigsten Verdauungsfunktionen erläutert und eine gesunde Ernährung begründet. „Wenn das Kind zu einem gesunden, kräftigen Menschen heranwachsen und der erwachsene Mensch gesund und arbeitsfähig bleiben soll, dann muss der Körper richtig ernährt werden.“ Essen dient der Lebenserhaltung. „Zunächst kommt es nicht nur darauf an, dass der Mensch beim Essen satt wird und nur das zu sich nimmt, was ihm gerade schmeckt, sondern das Wichtige dabei ist, das die Nahrung richtig zusammengesetzt ist.“ Wie dieses gesund erfolgen kann, lese ich auf den nächsten Seiten. Erklärt wird nachfolgend, wie und warum das Essen mit Anstand und Sitte eingenommen wird. „Gut gekaut ist halb verdaut.“ Dieser Grundregel folgen Benimmregeln. Die vierte davon lautet:“Gerade, straffe Haltung bei Tisch! ( Die Verdauungswerkzeuge dürfen nicht zusammen gedrückt werden. Schlechte Haltung ist an und für sich unschön.)“ Dem wiederum folgt eine Erläuterung zur Bedienung von Kochöfen und deren Beheizung.  „Von diesen Einrichtungen sind die bekanntesten: Kachelherd, eiserner Herd, Gasherd, Petroleum- oder Spirituskocher, Grudeofen, Kochkiste.“ zu deren Benutzung wird erläutert:“Möchte doch jeder Hausfrau die irrige Meinung genommen werden, dass starkes Kochen das Garen bessere! Nein, liebe Hausfrau, lass dich überzeugen, die Kochzeit kann nicht abgekürzt werden. Ein starkes Kochen wirkt schädlich, es macht die Eiweißstoffe hornartig und unverdaulich, mithin die betreffenden Nahrungsmittel nicht weicher sondern härter. Außerdem entweichen mit den unnötig stark entwickelten Dämpfen viele wertvolle Schmeckstoffe. Das starke Kochen bedeutet also stets eine Entwertung der Nahrung – kurz: eine Verschwendung.“

Die Energieleistung der unterschiedlichen Brennstoffe wie Holz, Kohlen oder Torf und deren Eigenheiten werden erläutert. Unerlässlich scheinen der mir unbekannten Verfasserin Küchenregeln, deren erste lautet:“Gehe an die Kocharbeit nie ungewaschen oder mit ungekämmten Haaren oder mit unsauberen Fingernägeln.“ 

Erst nach dieser Einleitung kommt das Kapitel „Besondere Küchenarbeiten“. Fett auslassen wird in ihm genauso erläutert wie Eier für den Winter aufbewahren, Fleisch pökeln oder spicken. Wie Fische geschlachtet werden steht da und wie Zuckerfarbe hergestellt wird.

Zuckerfarbe—250g gemahlener Zucker, 8 EL kochendes Wasser – Den Zucker lässt man in einer Kaserolle unter fortwährendem Rühren zergehen und kochen. Hat er sich kaffeebraun gefärbt, so gießt man langsam das kochende Wasser daran. Das Ganze lässt man einige Male aufkochen und füllt es ausgekühlt in eine Flasche, die gut verschlossen wird. Zum Färben von Flüssigkeiten verwendet man nur ganz wenig davon, weil ein „Zuviel“ bitteren Geschmack gibt.

Mandeln, Korinthen und Zitronen werden vorbereitet, bevor es zum ersten Rezeptkapitel – den Suppen – kommt. Dieses Kapitel ist unterteilt in Suppen aus Gemüse oder Getreide, in herzhafte und in süße Suppen und Kaltschalen. 

Hagebuttensuppe — 125g getrocknete Hagebutten, 1,5 l Wasser, Salz, 1 Stange Zimt, 1 Stück Zitronenschale, 13g Kartoffelmehl, 2EL Wasser zum Anrühren, 7 EL Zucker, Zwieback — am Vorabend Hagebutten mehrere Male waschen, in kaltem Wasser einweichen, Kartoffelmehl anrühren, Zwieback in Stücke schneiden—Hagebutten im Einweichwasser mit Zimt und Zitronenschale weich kochen, etwa 1 Stunde kochen lassen, durchstreichen—mit Kartoffelmehl sämig machen—Zwieback dazu geben.

Suppeneinlagen haben wieder eine eigene Abteilung. Die hier im Rezept gemachten Nudeln werde ich demnächst zubereiten.

Nudeln herstellen—250g Mehl, 2 Eier, 8g Salz, 4 EL Wasser—sämtliche Zutaten ans Mehl tun, alles zu einem geschmeidigen Teig verkneten, Kennzeichen für einen guten Nudelteig: der Teig darf nicht kleben!, Fingereindruck in den Teig muss wieder hochkommen, beim Durchschneiden darf der Teig nicht streifig sein, muss aber Luftblasen zeigen.—Teig 1/3 Stunde stehen lassen, dann in 4 Teile teilen, jeden etwa messerrückenstark ausrollen, auf sauberem Tuche an der Luft oder in der Nähe des Herdes ungefähr 1/2 Stunde trocknen lassen.—Die Teigplatten in 4 cm breite Streifen schneiden, 4-6 aufeinanderlegen, bevor für Suppennudeln ganz feine Streifchen geschnitten werden, sie locker aufstreuen, trocknen lassen.

Im Abschnitt „Fleischgerichte“ lese ich über die Nahrhaftigkeit desselben, bevor es zur Zubereitung Rezepte gibt. Wie die verschiedenen Fleischsorten gekocht werden wird beschrieben, Kuheuter darunter, dann folgen Rezepte der Herstellung von Fleischmus, auch ein Lungenmus ist dabei, die den Charakter von Streichwurst haben und allesamt mit Beifuß gewürzt werden.

Fische haben ihr eigenes Kapitel, Salzheringe werden eingelegt und Rollmöpse gewickelt. Fisch in Gallert gibt es und Bücklingsreis.

Bücklingsreis—250g Reis, 20g Fett, 1,5 l Wasser, 1EL Salz, 1 Zwiebel, 1 Stück Sellerie, 3-4 Bücklinge, 1 Ei, 1/4l Milch, 2 EL geriebene Semmel oder Schweizerkäse— dicken Reis herstellen, Bücklinge häuten, entgräten, zerlegen, in Fett anbraten, Ei in Milch verquirlen, Form mit Fett ausstreichen—abwechselnd Reis und Bückling in Form schichten, obenauf Reis, gut abgeschmeckte, verquirlte Milch darüber gießen, geriebene Semmel oder Käse darüber streuen—3/4 Stunde scharf überbacken.

Braten werden erläutert und vielerlei Knödelarten und Klöße, Wickelklöße sind dabei.

Wickelklöße—3Pfund gekochte Kartoffeln, 15g Salz, 1Prise Muskat, 1 Ei, 200g Mehl, 1 altbackenes Brötchen, 50g Fett—am Vortag Pellkartoffeln kochen, am nächsten Tag reiben, Brötchen reiben und in Fett rösten—Kartoffeln, Salz, Muskat, Ei und Mehl gut vermengen, Teig etwa 0,5 cm stark ausrollen, mit gerösteter Semmel betreichen, zusammenwickeln, die Rolle in 4cm lange Streifen schneiden, diese in kochendes Salzwasser tun—10 Minuten kochen, 5 Minuten ziehen lassen.

Es finden sich süße Beigüsse zu Mehl- und Fruchtspeisen, genauso wie Beigüsse aus Kapern, Meerrettich, Sardellen oder Kräutern oder ein Pflaumenmusbeiguss.

Pflaumenmusbeiguss—125g Pflaumenmus, 1/2 l Wasser, 1 Stange Zimt, 1 Stück Zitronenschale, 10g Kartoffelmehl, 60g Zucker—Pflaumenmus mit Wasser glatt rühren, Kartoffelmehl mit 1 EL Wasser anrühren—verdünntes Pflaumenmus mit Zimt, Nelken und Zitronenschale zum Kochen bringen, mit Kartoffelmehl sämig machen.

Kartoffeln haben ein eigenes Kapitel mit vielerlei Rezepten. Ebenso die Eintopfgerichte als vollständige Mahlzeit. Bettelmannsuppe gibt es da u.a.

Pilzgerichte und Gemüsegerichte bekommen wieder eigene Kapitel, ebenso Salate und Kompottrezepte.

Preiselbeerkompott—500g Preiselbeeren, 150g Zucker, 1/4 l Wasser—Beeren verlesen und waschen—Beeren in kochenden Zuckersaft tun—etwa 5 Minuten kochen

Dann folgen die Eierspeisen.

Im Kapitel Milchspeisen gibt es Gries, Brei und meine geliebten Buttermilchgötzen, auch Flamri aus Früchten sind beschrieben.

Buttermilchgötzen—2,5kg Kartoffeln,2l Buttermilch, 10g Salz, 100g Fett—Kartoffeln waschen und schälen, nochmals waschen, in viel Wasser reiben, dieses öfter erneuern—Kartoffeln durch ein Tuch gut ausdrücken, Buttermilch und Salz untermengen—Fett in einer großen Pfanne zergehen lassen, Teigmasse hineinschütten, bei Mittelhitze 1 Stunde goldgelb backen.

Ein Kapitel für Gebäck und Kuchen erläutert alles was zum Backen wissenswert ist. Es beginnt mit „Kleine Gebäcke als Nachspeise“ und Quarkkeulchen, einer in Sachsen beliebten Speise.

Quarkkeulchen—1kg gekochte Kartoffeln roh gewogen, 500g Quark, 125g Mehl, 90g Zucker, 10g Salz, 1/4 abgeriebene Zitrone, 75g Korinthen, 1 TL Backpulver, 35g geriebene Semmel, 100g Fett—am Tag vorher gekochte Kartoffeln abziehen, reiben, 1 Ei aufschlagen—Quark tüchtig rühren, Mehl, Ei, Zucker, Salz, Zitronenschale, Kartoffeln, Korinthen und Backpulver hinzufügen—mit geriebener Semmel auf dem Handteller runde, flach gedrückte Klöße ohne Risse formen, im Tiegel in dampfenden Fett auf beiden Seiten in 5-6 Minuten braun backen, mit Zucker bestreuen.

„Das Keimfreimachen von Obst in Zuckersaft“ wird ausführlich erläutert, auch das von Gemüsen, zudem erfahre ich alles über das Einkochen von Kompott, die Herstellung von Gelees, das Einmachen in Essig und Einsalzen. Sauerkrautherstellung wird beschrieben, ebenso das Dörren von Obst und das Trocknen von Kräutern.

Sauerkraut—12kg Weißkraut,300g Salz, 8EL Weinessig, 1 großer Steintopf, 1 Holzdeckel—Weißkraut fein schneiden, mit Salz untermengen—sauberen Steintopf mit Essig ausreiben, mit großen Blättern auslegen, geschnittenes Kraut recht fest einstampfen—obendrauf Salz streuen, Krautblätter, ein reines Tuch und einen Holzdeckel auflegen, mit einem Stein beschweren—in einem warmen Raume das Kraut so lange stehen lassen, bis es sauer riecht und schmeckt, dann an einen kühlen Ort stellen.

Getränke und deren Zubereitung erläutert dieses umfangreiche Kochbuch und warnt vor dem zuviel von alkoholischen Getränken. „Während der Mann das Geld ins Wirtshaus trägt, muss daheim die Familie darben. Aber nicht nur wirtschaftlich geht dabei die Familie zu Grunde, sondern auch körperlich und sittlich. Die Kinder werden womöglich schon krank oder wenigstens schwächlich geboren, sie hören und sehen sowenig Gutes, dass sie sittlich verkommen. Was die Frau eines Trinkers – verschuldet oder unverschuldet – leiden muss, ist nicht in wenigen Worten zu sagen!“

Es gibt ein Kapitel für fleischlose Kost und einen Speisezettel für gemischte Kost, aufgeteilt in die Jahreszeiten.

„Winter: Sonntag Mittag: Gänsebraten, Rotkraut und Kartoffeln. – Abend: belegte Schnitten, saure Gurke —Montag Mittag: Rindfleisch mit Nudeln, Preiselbeeren mit Äpfeln – Abend: Brühwürstchen, Kartoffelsalat, Butterbrot—Dienstag Mittag: gewärmter Gänsebraten, rohe Kartoffelklöße, Birnenkompott – Abend: Bücklingspfanne, Butterbrot—Mittwoch Mittag: Kartoffelsuppe, Eierkuchen, eingelegte Blaubeeren – Abend: Rollmöpse, Kartoffeln, Butterbrot— Donnerstag Mittag: Brühe mit Einlauf, Hülsenfruchtbratlinge mit Sauerkraut – Abend: Milchreis mit brauner Butter, Zucker und Zimt, Butterbrot— Freitag Mittag: Tomatensuppe, Schellfisch mit Senfbeiguss, Salzkartoffeln – Abend: Bunter Salat, Butterbrot—Sonnabend Mittag: Graupensuppe, Sauerkraut mit Fisch (Resteverwertung) – Abend: Apfelreis, Butterbrot. 

Nachdem alle Rezepte erläutert und mit Zubereitungszeit versehen sind, beschreibt dieses famose Kochbuch erste Hilfe bei Verletzungen oder leichten Unfällen und hat Abhilfe bei Mißgeschicken in der Küche parat.

Krankenkost wird genauso vorgestellt, wie zum Anfang des Buches Säuglingskost, mit Hinweisen auf die einzigartigen Vorteile des Stillens.

Ein weiteres ganzes Kapitel widmet sich den Hausfrauentugenden. Der Gattin, Hausfrau und Mutter wird angeraten „im Glauben an Christi Ordnungsliebe, Sauberkeit, Fleiß, Pünktlichkeit und Sparsamkeit als köstliche Perlen im Tugendkranz der Frauenkrone zu tragen.“ Die einzelnen Punkte werden gesondert erörtert. 

Anregungen zur Haushaltsführung über ein Haushaltsbuch folgen. Taschengeld erhält dabei einzig das Familienoberhaupt. Hinweise zum Einkauf und der Lagerung der Nahrungsmittel beschliessen das Buch.

Was für ein lehrreiches Lesevergnügen!

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32 Antworten zu “Kochbücher – Kochbuch unbekannter Autorin von 1912

  1. Da kannst Du noch jede Menge Rezepte ausprobieren. Nicht zu grosszügig mit dem Taschengeld für das Familienoberhaupt hantieren.

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  2. Ein schöner Ausflug n für Vergangenheit! Siehste: Wickelklöße! 😉
    Bücklingsreis … 😝

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  3. Schon Dein Eintrag hier liest sich nicht nur unterhaltsam, sondern auch lecker.
    Nudeln wollte ich auch mal selbst machen. Jetzt warte ich auf Deine Kostprobe.

    Auch Deine Beschreibung der Heilkräuter haben meine besondere Aufmerksamkeit.

    Ich wünsche ein schönes Winterwochenende. 🙂

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  4. Es scheint uns ein wahrer Schatz zu sein!

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  5. Ein faszinierender Beitrag liebe Freundin. Ich habe mit Freude jede Zeile zweimal gelesen! Wenn du das Vorwort als kompletten Text bei Ggogle eingibst (oder zumindest 7-8 Zeilen) bekommst du die Verfasserin vielleicht heraus. Sehr vieles aus dem Buch ist ja heute noch gültig, was heißt, dass wir auch jetzt nicht wesendlich weiter sind. Es muss eine Kochanleitung für einen gut bürgerlichen Haushalt sein, da es sonst micht so viel Fleisch zu essen gegeben hätte. Mal sehen wohin uns die Rezepte führen. Dankeschön und gute Nacht!

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  6. Also so besonders bescheiden kommen mir die Zutaten nicht vor 🙂

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  7. das ist ein Schatz, den du hier hast. Was bietet die Abteilung von “ Abhilfe bei Mißgeschicken in der Küche “ an? das taete mich auch mal interessieren. Danke dass du uns davon erzaehlst, ich finde es toll. Ich hatte auch noch gelernt, gotische Schrift zu lesen, die Klassen nach mir lernten es nicht mehr

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    • Unter anderem erste Hilfe beim Feuerfangen von Kleidung bis zu Behandlungen bei Brüchen. Ich schau morgen nochmal rein und schreib es dir genauer .:-)

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      • Abhilfe bei Mißgeschick in der Küche: 1. Sind bei jemand die Kleider in Brand geraten, so lege man den betreffenden Menschen sofort auf den Fußboden und rolle ihn langsam hin und her oder besser noch, man schlage so schnell wie möglich Kleider oder nasse Tücher um ihn, um die Flammen zu ersticken. Dann die Kleidungsstücke abschneiden, nicht ausziehen, um etwaige Brandwunden zu behandeln.

        Das Kapitel befasst sich weiter mit dem Entfernen übergelaufenen Fetts und der Reinigung angebrannter Töpfe.

        Es sind also nicht die Mißgeschicke bei der Zubereitung der Gerichte gemeint, sondern Küchenpannen.

        Liebe Grüße

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  8. Wie ist denn der Titel von dem Buch?

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  9. Interessant, faszinierend bis lustig. Danke für’s Mitteilen!

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  10. Pingback: Rezepte Anno 1912 – Mürber Blechkuchen | Teil 2 Einfach(es) Leben

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