Den Sommerurlaub verbrachte ich in Kindertagen mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester am Meer.
Mein Vater war Zahnarzt und Teil der Beschaffungsgesellschaft, die in den späten 60er Jahren noch funktionierte.
Das sie nicht ausfüllte, zeigte der frühe Freitod meines sensiblen Vaters.
Doch noch war es nicht so weit, noch glänzte das Leben, erklang mein Kinderlachen ohne Angst.
Der Freundeskreis war, für damalige Verhältnisse, elitär.
Der Fisch- und Obsthändler, ein Gastwirt, der KFZ-Werkstattbesitzer und der Inhaber des Herrenbekleidungsgeschäftes gehörten dazu.
Bei uns zu Hause gab es, wenn auch nicht immer, also den begehrten Räucheraal und die seltenen Bananen. Unser Trabant hatte stets alle notwendigen Ersatzteile, die Reservierungen für Familienfeiern waren problemlos zu tätigen und mein Vater war ein gut angezogener Mann.
Nie hat er zu festlichen Anlässen im familiären Rahmen anderes als elegantes Schuhwerk getragen.
Die Tage der Hausschuhabende war weit entfernt.
Im Gegenzug trugen diese Freunde die nach dem Tod meines Vaters – bis auf einzelne, wenige schnell weg blieben – wahrscheinlich Goldinlays statt Amalganfüllungen.
Im Sommer fuhren wir, wie gesagt, an die Ostsee.
Oft in kleine Ferienzimmer, dort war man als Stammgast gern gesehen, sicher gegen einen Gefallen, der das Leben leichter machte.
Die DDR war eine Tauschgesellschaft.
Einige Male wohnten wir bei „Tante Meta“, in einem Zimmerchen für vier, das nicht mit viel mehr als Betten gefüllt war.
Doch wer braucht schon mehr, wenn Sandburgen komfortable Traumräume boten und Ostseewasser über die Haut spritzte, aus jeder Welle eine Nixe schaute und ich braungebrannt in der Sonne spielen konnte.
Wie all die vielen Koffer und Sachen, die zwei kleine Kinder benötigen, in den Trabant hinein passten, ist mir heute ein Rätsel.
Auf dem Rücksitz fanden meine Schwester und ich jedenfalls immer noch ausreichend Platz und los ging die Fahrt.
Aufregend und geheimnisvoll war das schon ab dem Vorabend.
Die Tage waren heiß, die Autos ohne Klimaanlage und so fuhren wir in den ersten Morgenstunden los.
Um ausgeschlafen zu sein, gingen meine Eltern früh zu Bett, uns Kindern wurde selbiges befohlen.
Es gab auch keinen Widerspruch unsererseits, denn auch die antiautoritäre Erziehung war noch nicht geboren.
Aufgeregt schatterte ich mit meiner Schwester im Bett, ich war das „Schnatterinchen“ der Familie, meine Schwester als Erstgeborene und erstes Enkelkind unserer Großeltern der „Sonnenschein“.
Im Dunklen noch, begann vor dem Morgengrauen die Reise.
Meine Mutter hatte für Proviant gesorgt.
Raststätten, an denen schnelles Essen zu überteuerten Preisen angeboten wurde, waren noch nicht erfunden.
Tankstellen, an denen bedient wurde, gab es dafür.
Der Tankwart selbst befüllte den leergefahren Tank mit Benzin, während wir unser köstliches Picknick hielten.
Selbst gebratene Schnitzel, hart gekochte Eier, Tomaten, erste Augustäpfel und belegte Brote waren unser Mahl und so vorzüglich in der Vorfreude schmeckend, dass ich diese Angewohnheit ins Heute mitgenommen habe und gegen keinen – die Mühe der Vorbereitung ersparenden – Imbiß eintauschen würde.
Mit der Dauer der Fahrt, sank die Geduld von uns Kindern und wir quengelten.
Dann begann meine Mutter Lieder zu singen, mein Vater stimmte ein und wenn sie keine Lust mehr hatten, sang ich allein weiter.
„Du bist unser Autoradio“ scherzte meine Mutter dann, denn ein solches hatten wir natürlich nicht.
Es hat uns nicht gefehlt. Mein Vorrat an Liedertexten war schon damals erstaunlich. Er entstammt meiner kindlichen Vorliebe stundenlang und gern allein, meine Mutter arbeitete derweilen in der Praxis meines Vaters, die gleich neben dem Wohnzimmer lag – nur durch eine dünne Tür waren wir also getrennt – Schallplatten zu hören.
Und endlich, endlich waren wir da.
Die Koffer abgestellt und runter an den Strand.
Mein Vater liebte das Meer so wie ich es tue.
Der weiche Sandboden unter den dahin eilenden Füßen ließ es schon ahnen.
Der salzige Wind brachte seinen herb-frischen Geruch und mit einem Schlag war es zu sehen. Hinter Kiefern rollte es in sachten Wellen, möwenkreischend und mit leisem Donnern auf uns zu.
Das große, weite Meer… so groß und so weit, das sein Ende hinter dem Horizont lag.
Überwältigende Naturkraft voller Schönheit und Leben.
Die Sachen vom Leib gerissen und hineingerannt, eingetaucht in salziges Grün, umspült von den Schaumkronen der Wellen, unglaublich frei.
Meine Mutter hält mir heute noch vor, was ich damals lauthals und ständig, auch noch mit schon blaugefrorenen Lippen und am ganzen, dünnen Kinderkörper klappernd, schrie:
„Ich will in’s Wasser.“
Geändert hat sich in all den Jahren, die seit damals vergangen sind, nur ein Wort. Und das auch nur der Jahreszeit wegen, die ich – große Menschenmengen gern meidend – bewusst wähle.
„Ich will an’s Wasser.“
Ich bin da.
Wunderbare Bilder 🙂
Gefällt mirGefällt mir
So schön ist es am Meer.:-)
Gefällt mirGefällt mir
Das ist wunderschön. Danke für den Text und danke für die Bilder.
Gefällt mirGefällt mir
Ich danke fürs Lesen und wünsche einen frohen 2. Advent.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ich danke Ihnen für die Mitteilung Ihrer Kindheitsurlaubserinnerungen.
Sie rufen mir meine eigenen zurück. Das Ziel war das gleiche: das Meer.
Aber welche Unterschiede beim Drumherum.
Wenn ich mir Ihre schönen Bilder ansehe, will ich an die Ostsee – jetzt&sofort!
Mittäglichsonnige Grüsse aus dem leuchtenden Bembelland
Gefällt mirGefällt mir
Ich würde gern Ihre Erinnerungen erfahren.
Herrlich war es an der Ostsee.
Kaum Menschen- herrliche Stille.
Sonnige Grüße aus dem Freistaat, Ihre Arabella
Gefällt mirGefällt mir
Mal sehen, was (und wann) mir dazu einfallen wird…
Gefällt mirGefällt 1 Person
..ich bin gespannt 🙂
Gefällt mirGefällt 1 Person
Das Meer, ob Ost- oder Nordsee ist immer für eine rückwärtige Zeitreise gut.
Gefällt mirGefällt mir
Und für die dazu notwendige Stille .
Meine besten Grüße zu dir neine gute Fee.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Zu früh auf die Returntaste gekommen …danke für Text und Bilder. Den vor langer Zeit verlorenen Meeresduft bringen sie mir leider nicht zurück, doch dafür Einblicke in ein anderes Leben nah. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende. Viele liebe Grüße von Deiner Fee
Gefällt mirGefällt mir
Und ich dir einen freudigen Nikolaustag und einen stillen 2.Advent.😘
Gefällt mirGefällt 1 Person
Danke, das wünsch ich Dir auch! Gibt es ein Adventsmärchen…?😍
Gefällt mirGefällt mir
Aber sicher doch:-) 🙂 🙂
Gefällt mirGefällt mir
danke für den einblick in die mehrschichtigkeit von teil 1 (jugend) des einfach/es leben (kindererinnerung/en)
Gefällt mirGefällt mir
Dankeschön fürs Lesen und die guten Worte.
Gefällt mirGefällt mir
Toll. Wieder eine schöne Kombination von Kindheitserinnerungen und dem Alltag in der DDR. Ich liebe diese Geschichten.
Gefällt mirGefällt mir
Dankeschön. Ich habe noch einige parat.
Einen fleißigen Nikolaus wünsche ich Ihnen und grüße lieb
Gefällt mirGefällt mir
Danke, ebenso
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wunderschöne Bilder und Erinnerungen.
… und NIX geht über ein kaltes Schnitzel im Brot während einer langen Autofahrt! 😉
Gefällt mirGefällt mir
Das hat uns genauso gut geschmeckt wie das Menüe im 5 Sterne Hotel.:-) 🙂 🙂 🙂
Gefällt mirGefällt 1 Person
Sehr schön! Wir fuhren in einem VW Käfer zu viert. Mein Vater rauchte Zigarren und Kopfstützen gab es nicht. Auch keine Sicherheitgurte. Was wir so alles überlebt haben? Viele Grüße Manne
Gefällt mirGefällt 1 Person
Stimmt.
Sicherheitsgurte kamen erst viel später.
Einen feinen Nikolaus wünsche ich dir.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Liebe Arabella, es war total spannend, diese Geschichte zu lesen.
Sie hat uns wirklich fasziniert 🙂 🙂
Schade nur, dass Dein Vater verfrüht aus dem Leben gegangen ist 😦 😦
Wie alt warst Du da? Es hat Dich bestimmt sehr getroffen.
Gefällt mirGefällt mir
Darüber reden wir ein anderes Mal, einverstanden?
Es ist lange her und verarbeitet.
Einen lieben Gruß zu euch.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Klaro, einverstanden. Wann und wie Du willst.
Wir grüßen Dich auch ganz lieb ❤ ❤
Gefällt mirGefällt mir
🎅🎄😘
Gefällt mirGefällt 1 Person
Kleine Erinnerung an meinen Sommerurlaub. 🙂 Und an die Zeit der Beschaffungsgesellschaft. :-))) So lief’s, wenn auch für jeden auf eine andere Weise. Nur die vier Räder hatte ich damals nicht. Dafür konnte ich ausgesprochen kostengünstig mit der Bahn überall hinfahren. Heute ist’s genau umgekehrt. :-)))
Ein schönes Wochenende, Eberhard
Gefällt mirGefällt mir
Ja. Für jeden auf seine ganz persönliche Weise.
Bahn gefahren bin ich erst viel später und nur allzuoft verkehert eingeschiegen.
Nikolausige Grüße🎄
Gefällt mirGefällt 1 Person
Vielen Dank für den Einblick in Deine Kindheit und die wundervollen Bilder von der Reise mit dem Gärtnergatten!
Wir nehmen auch eindeutig lieber eigenen Proviant mit als uns unterwegs Dinge zu kaufen! Die Vorbereitungen sind für uns, wie für Dich, keine Last, sondern vergrößern einfach nur die Vorfreude! Oft probieren wir neue Rezeptideen in diesem Zusammenhang aus…. 🙂
Es ist schön, dass Du wieder da bist! Leider bedeutet dies für Dich, dass die Zeit am Meer schon wieder vorbei ist…. Wie schnell sie immer wieder vergeht, die Zeit….
Liebste Grüße
AnDi
Gefällt mirGefällt mir
Ich habe die Zeit genossen und erst recht die Stille und Einsamkeit.
Gern bin ich wieder nach Hause gefahren, nirgendwo bin ich lieber.
Nur in der Kaufhalle bekam ich einen Schreck…solche Menschenmengen…ach ja.
Nikolausvorfreudige Grüße🎄🎅
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ja, die Menschen und ihre Konsumwut…. Oftmals erschreckend!
Am liebsten zu hause sein, kann man was Schöneres empfinden, wenn man die eigenen vier Wände betritt? Nicht wirklich, oder? Dies ist der Beweis, dass Dein Haus auch wirklich Dein Heim ist! Etwas, das nicht jedem Menschen vergönnt ist….
Ganz liebe Grüße und eine vornikolausige Umarmung
AnDi
Gefällt mirGefällt mir
Danke euch meine Lieben.
Gefällt mirGefällt 1 Person
❤
Gefällt mirGefällt mir
Ich glaube, das Meer zieht einen immer wieder an, wenn man einmal da war. Als ich das erste Mal am Meer war, war ich 5. Ein prägendes Erlebnis.
Gefällt mirGefällt mir
Unfassbar schön.
Ich schicke dir einen lieben Gruß.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Danke fürs Mitnehmen.
Gefällt mirGefällt mir
Alte Zeiten…
Gefällt mirGefällt mir
Macht doch nichts.
Alter Zeiten sind wertvoll.
Gefällt mirGefällt mir
Sehr.
Wie sollte man ohne Erinnerungen leben?
Gefällt mirGefällt mir
Das wäre eine große Leere.
Gefällt mirGefällt mir
…und ein Verlust.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Hmmmmmm. Nachdem ich erst Ende August am Meer war (Italien), kann ich das sehr gut nachvollziehen. Ich liebe das Gefühl von Wasser um die Füße auch.
Gefällt mirGefällt mir
Um die Füße reinzuhalten, waren die 6 Grad zu kalt.
Obwohl…kurz überkam mich der Gedanke…die Memme hat gesiegt;-)
Gefällt mirGefällt 1 Person
Nun, im August sieht das glücklicherweise anders aus. Aber die Erinnerung muss erst mal wieder eine ganze Weile halten…
Gefällt mirGefällt mir
Tut sie.:-)
Gefällt mirGefällt 1 Person
Oh, wie wunderbar! Und ein allerherzlichstes Dankeschön fürs Teilen der Erinnerungen! LG Heike
Gefällt mirGefällt mir
Danke fürs Lesen und einen guten Nikolaustag für dich.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wasser ist Leben 🙂
Viel Spaß,
Ulli
Gefällt mirGefällt mir
Immer.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Jaujau, der Naturalienhandel. So war das und Freunde waren das nicht wirklich, diese „Eine-Hand-wäscht-die-andere-Typen“. Nur wenn sie aus der gleichen Schulklasse oder Sandkiste stammten – dann blieben sie ein Leben lang erhalten, auch wenn’s mal schlecht lief. Ich beneide meine Klassenkameraden zuhause um diesen Zusammenhalt, denn der harte Kern trifft sich bis heute ständig. Ob arbeitslos, in Amt und Würden oder gerade insolvent…
Die See, naja die See…Spielhagen machte die Gutshäuser dort zum kritisch gesehenen Idyll, les ich gern; auf dem Darß latsch ich inzwischen häufig den Strand breit, aber mit der Mentalität da oben steh ich auf Kriegsfuss.
Ostelbien war-ist-bleibt ein Fall für sich.
Gefällt mirGefällt mir
Rauh aber herzlich, ergänzt doch gut die vielen „sehr gern“, die in den Hotels erklingen.;-)
Den Lesetipp versuche ich und danke dafür.
Gefällt mirGefällt mir
Jo, mol für ne Wocheee hältsas aus, du. Abee längee, du, da kommtee! De Bluuuuuuhs! Du! Das kannst wissen,du! S Heimweh zu Muddas! Do wünschts dich mang die Bergee,du. Da hilft kein Bieä un kein Köm,nich – du.
Im Südn, du! Da kling‘ sogar die Assis nett, du! Dat verssstehst näch, watt die sabbeln, du! Abee kling‘ tutas immmä wie Ebeehaaad Coohrs, du.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Recht ham Se.
Nischt gehd über ordentlisch säsch.
😂
Gefällt mirGefällt mir
Ich danke schön für diese feine Zeitreise!
Gefällt mirGefällt mir
Ich freu mich über deine Worte und grüße lieb.
Gefällt mirGefällt mir
Wo kommt sie nur her, die Sehnsucht nach dem Meer? Ich muss auch jedes Jahr mindestens einmal hin, und der Moment, in dem man es zum ersten Mal sieht und riecht… So schön hast Du es beschrieben, als ob es meine eigenen Erinnerungen wären, ich lächle vor mich hin :o)
Gefällt mirGefällt mir
Es ist wohl das Gefühl von Weite, das in den heimischen Bergen manchmal fehlt…
Gefällt mirGefällt mir
Herrliche Geschichte des Lebens, … auch wenn uns einige Jahre trennen, so verstehe ich auch heute nicht, wie damals alles in einen winzigen Trabbi gepasst hat und ich heute mit meinem kleinen Opel echt an meine Grenzen stoße, wenn es ans packen geht.
Gefällt mirGefällt mir
Irgendwie ging’s:-) 🙂 🙂
Gefällt mirGefällt mir
Mehr Meer! Dankeschön!
Gefällt mirGefällt mir
Gern
Gefällt mirGefällt 1 Person
Das sind ganz eindrückliche Erinnerungen! Danke fürs Teilen.
Gefällt mirGefällt mir
Danke für Ihre Worte:-) .
Gefällt mirGefällt mir
🙂
Gefällt mirGefällt 1 Person